Die Schaubude

Talentierter Selbstvermarkter: Der 1889 auf Sizilien geborene Francesco A. Lentini verfügte über drei Beine, einen rudimentär entwickelten vierten Fuß und zwei Geschlechtsorgane. Weil er mit seinem dritten Bein einen Fußball über die Bühne schießen konnte, wurde er als "dreibeiniger Fußballstar" vermarktet.

Mit zehn Jahren ging Lentini in die USA, wo er unter anderem beim Zirkus "Barnum & Bailey", aber auch in den Vergnügnungsparks auf Coney Island auftrat. Lentini war verheiratet, hatte vier Kinder und reiste noch in den fünfziger Jahren mit einer eigenen Schaubude über die Jahrmärkte.

 

 

 

 


Geigen-Duo: Auch siamesische Zwillinge wurden auf den Jahrmärkten häufig zur Schau gestellt. Berühmtheit erlangten etwa die auf der Souvenirkarte abgelichteten Zwillinge Josefa und Rosa Blazek.

1878 in Skreychow in Böhmen geboren, wurden sie schon im Säuglingsalter auf Jahrmärkten herumgereicht, später traten sie international als Geigerduo auf. 1910 soll Rosa einen Sohn namens Franzel entbunden haben. Fortan tourte das Kind mit Mutter und Tante durch die Welt. 1922 starben die "böhmischen Schwestern" in Chicago.

 

 

 

 

 


Daisy und Violet: Die aus Brighton stammenden siamesischen Zwillinge Daisy und Violet Hilton spielten bei ihren Auftritten Geige, Saxophon und Klarinette. Oft baten sie männliche Zuschauer auf die Bühne und tanzten mit ihnen.

1932 spielten sie in Tod Brownings "Freaks"mit, 1951 übernahmen sie die Hauptrollen in dem Film "Chained For Life".

 

 

 

 

 

 


 Frau mit Bart: Von circa 1906 stammt das Portrait von Clementine Delait (geborene Clattaux). Die 1835 geborene Französin führte ein Café und trat Anfang des 20. Jahrhunderts auf Jahrmärkten als "Bartfrau" auf. Nach dem Ersten Weltkrieg bot der US-Geschäftsmann Phineas Taylor Barnum ihr drei Millionen Francs für einen Auftritt in seiner "Freakshow" - doch Délait schlug das Angebot aus. Außer den "Bartfrauen"...

 

 

 

 

 

 


 

...waren auch andere, als "Haarmenschen" bezeichnete Schausteller beliebt auf Jahrmärkten. Dieser im Gesicht vollständig behaarte Junge litt ebenso unter Hypertrichose, also der Behaarung sonst unbehaarter Stellen, wie...

 

 

 

 

 

 

 

 

 


..."Lionel der Löwenmensch", der zu den berühmtesten "Show Freaks" seiner Zeit zählte. "Lionel", mit bürgerlichem Namen Stefan Bibrowksi, wurde 1890 in Polen geboren. Der Schauunternehmer Sedlmayer entdeckte das Kind und brachte es mit drei Jahren nach Deutschland. Mit elf Jahren wurde "Lionel" erstmals als Jahrmarktsattraktion bei "Barnum & Bailey" in den USA vorgeführt, doch...

 

 

 

 

 

 

 

 

 


...trat er später auch in Deutschland auf, wie diese 1908 versandte Postkarte vom Münchner Oktoberfest zeigt. Anfang der dreißiger Jahre starb "Lionel der Löwenmensch" bei einer Tournee durch Italien im Alter von 42 Jahren an Herzversagen.

 

 

 

 

 


"Die Größten, Kleinsten, Dünnsten, Dicksten": Von 1937 stammt diese in den USA aufgenommene Werbung für die "P.T. Barnum's Side Show". Neben Schwertschluckern und Schlangenbeschwörern traten unter anderem die "größten, kleinsten, dünnsten und dicksten" Menschen auf, die "jemals die Erdoberfläche betreten haben". So verkünden es zumindest die bunten Plakate.

 

 

 

 

 


"Riesen" und "Zwerge": Groß- und kleinwüchsige Menschen waren in den "Freak Shows" der Zirkusse und Jahrmärkte mit am häufigsten anzutreffen. Um bei den Zuschauern noch größere Wirkung zu entfalten, traten sie oftmals gemeinsam auf, wie etwa dieses ungleiche Paar "Riesin Elfriede und Prinzessin Elisabeth" (Postkarte von 1929)...

 

 

 

 

 

 

 

 


...oder "der nordische Riese Olaf und die Däumlingsmenschen": ein angeblich 2,34 Meter großer und 163 Kilogramm schwerer Isländer (Werbeplakat).

 

 

 

 

 

 

 

 


Das "Mädchen vom Mars": Filmszene aus "Freaks", einem amerikanischen Horrorfilm von "Dracula"-Regisseur Tod Browning, der 1932 in die Kinos kam.

Browning, der als junger Mann selbst mit einem Zirkus durch die Lande getingelt war, thematisierte im Film das Leben der in den "Sideshows" arbeitenden Menschen mit Fehlbildungen. Der Film geriet zum Flop, wurde um ein Drittel zensiert und vielerorts jahrzehntelang verboten.

In dieser Filmszene tanzt Koo-Koo während einer Hochzeitsfeier im Federkostüm auf dem Tisch. Im wahren Leben hieß die Frau Minnie Woolsey. Im Jahr 1880 blind und mit Knochenfehlbildungen auf die Welt gekommen, wurde sie auf Jahrmärkten als das "Mädchen vom Mars" angekündigt, weil sie stundenlang regungslos auf einem Stuhl sitzen konnte.

 


Aus Guyana: Um Menschen für die Kuriositäten-Shows zu finden, suchten die Schausteller in allen Teilen der Welt. Um 1900 etwa entdeckte Phineas Taylor Barnum im südamerikanischen Guyana diesen arm- und beinlos geborenen Mann. Barnum brachte ihn in die Vereinigten Staaten, verlieh ihm dort den Künstlernamen "Prinz Randian" und kündigte ihn mal als "menschliche Raupe", mal als "lebenden Torso" an. Der Mann aus Guyana war in der Lage, mit dem Mund zu malen, sich zu rasieren und Zigaretten zu drehen. Seine Fähigkeiten führte er in dem Film "Freaks" vor (Filmszene mit Schauspieler Wallace Ford).

 

 

 

 


"Unstreitig das schwerste Mädchen, das je gelebt hat." So wurde Elvira auf deutschen Jahrmärkten angepriesen. Extrem beleibte Frauen durften bei keiner der "Abnormitätenschauen" fehlen, zumeist...

 

 

 

 

 

 

 

 

 


...übertrieben die Schausteller bei den Gewichtsangaben nach Belieben. So hatte jeder Impresario seine eigene "dickste Frau der Welt" im Programm, wie auch diese Ansichtspostkarte von "Emmy" zeigt. Die melancholisch blickende Dame wird gefeiert als "seit Menschengedenken das schwerste Weib der Erde - 530 Pfund schwer".

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Violinist ohne Arme: Der armlos geborene Carl Herrmann Unthan wurde am 5. April 1848 in Sommerfeld bei Elbing geboren und starb 1929 in Berlin.

Er verdingte sich als Violonist, Kunstschütze und Kunstschwimmer zunächst in deutschen Zirkussen, später stellte Unthan seine Fähigkeiten weltweit zur Schau. 1913 wirkte er in dem Stummfilm "Atlantis" mit, ein Jahr später spielte er die Hauptrolle in "Der Mann ohne Arm - ein Artistendrama".

 

 

 

 


Frau mit Albinismus: Zum menschlichen Kuriositätenkabinett gehörten auch Menschen mit Albinismus wie etwa die Dame auf dieser Souvenirkarte mit der Aufschrift "Zur Erinnerung von der Jüngsten der Polarmenschen".

Personen mit Albinismus wurden als "Eismenschen", "Nachtmenschen" oder "Weiße Mohren" zur Schau gestellt, während solche mit teilweisem Albinismus, also einem gefleckten Hautbild, als "Panther-" oder "Tigermenschen" beworben wurden.

 

 

 

 

 


Schreckliches Schicksal: Die Berühmteste unter den "Haar- und Bartmenschen" war die als "Affenmädchen" zur Schau gestellte Mexikanerin Julia Pastrana. Ihr Entdecker, Manager und späterer Ehemann Theodor Lent stellte sie in Europa und Amerika zur Schau.

Julia Pastrana starb kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Kindes 1860, was Lent nicht daran hinderte, weiter Kapital aus ihrem Körper zu schlagen: Nachdem er die Leichname von Frau und Kind so lange ausgestellt hatte, bis sie zu faulen begann, ließ er sie ausstopfen - und verkaufte Mutter und Kind.

 

 

 


Kleinwüchsigenstadt im Freizeitpark: Menschen mit erblichem Minderwuchs traten mitunter in "Liliputaner-Varietés" auf, wie diese auf einer Ansichtspostkarte Ende der zwanziger Jahre aufgenommene Schaubude zeigt.

Im Pfälzer "Holiday Park", einem Freizeitpark in Hassloch, existierte sogar noch bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine sogenannte Liliputaner- Stadt, in der kleinwüchsige Menschen zur Schau gestellt wurden.

 

 


"Anatomischer Wundermensch": Als "Hautmenschen" bezeichneten Schausteller Menschen wie Peter Spanner aus Augsburg. Der Schneidergesellen reiste Ende des 19. Jahrhunderts durch die Welt und stellte seine Fähigkeiten zur Schau.

Infolge einer Zellgewebskrankheit konnte er die Haut vom Hals bis zum Haaransatz wie Gummi hinaufziehen, so dass sie sein Gesicht bedeckte. "Wie der anatomische Wundermensch versichert, empfindet er bei all diesem Dehnen und Falten seiner Haut keinerlei Schmerzen", schreibt der Autor Signor Saltarino in seinem Buch "Fahrend Volk" von 1895.